Nießbrauch am Wertpapierdepot
Aktuelle Praxistipps von Experten für die Generationenberatung
Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt sind aus dem Immobilienbereich sehr bekannt und weitverbreitet. Die Beliebtheit dieser Gestaltung lässt sich leicht mit den damit verbundenen Vorteilen begründen:
- Der Schenker behält die laufenden Erträge, seine laufende Liquidität bleibt ihm insoweit ungeschmälert erhalten.
- Mit dem Übertrag der Substanz werden auch zukünftige Wertsteigerungen bereits „schenkungssteuerfrei“ übertragen.
- Die Schenkungssteuerfreibeträge der nächsten Generation werden genutzt.
- Der Kapitalwert des Nießbrauchs reduziert die schenkungssteuerliche Bemessungsgrundlage.
Daher liegt es nahe, auch Wertpapiervermögen auf diese Art und Weise der nächsten Generation zu schenken. Und das funktioniert auch, allerdings ist die Umsetzung regelmäßig wesentlich komplexer als bei Immobilien.
Warum ist Nießbrauch beim Wertpapierdepot komplexer? Das hängt vor allem daran, dass es regelmäßig keinen klar definierten jährlichen Ertrag für die Bewertung des Nießbrauchs gibt. Was bei Immobilien durch die Miete beziehungsweise die ortsübliche Miete (bei eigengenutzten Objekten) abzüglich der Bewirtschaftungskosten etc. relativ klar und gut zu ermitteln ist, fällt beim Depot je nach Wertpapierart sehr schwer. Denn der Nießbrauch bezieht sich auf den laufenden Ertrag, etwaige Wertveränderungen wie Kursgewinne der Vermögenssubstanz sind hier nicht zu berücksichtigen.
Welchen Ertrag ansetzen?
Bleibt also die Frage, was als Ertrag beim Depot angesetzt werden muss beziehungsweise darf. Ein Blick ins Bewertungsgesetz könnte Orientierung geben:
§ 15 BewG – Jahreswert von Nutzungen und Leistungen
- (1) Der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme ist, wenn kein anderer Wert feststeht, zu 5,5 Prozent anzunehmen. (…)
- (3) Bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, ist als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird.
Das klingt doch gut: nach Absatz 1 sind bei Geldsummen 5,5 Prozent ansetzbar. Aber handelt es sich beim Depot um eine Geldsumme? Wohl eher nicht. Also dann laut Absatz 3 der zukünftig zu erwartende Ertrag. Aber wie hoch ist dieser Ertrag?
Man könnte sich mit einer Prognose des Vermögensverwalters behelfen, der bei der entsprechenden Allokation von einer jährlichen Rendite nach Kosten in Höhe von 5 Prozent ausgeht. Hier stellt sich das Problem, dass in dieser Rendite wohl auch ein nicht zu vernachlässigender Anteil an Kurssteigerungen enthalten ist. Und Kurssteigerungen sind keine einem Nießbrauch unterliegenden laufenden Erträge. Daher bleibt unseres Erachtens nur, die für den Aktienanteil zu erwartende Dividende (Dividendenrendite) sowie die für den Rentenanteil zu erwartenden Zinsen (welche Zinsen?) anzusetzen. Für ein Portfolio aus 70 Prozent Aktien und 30 Prozent Renten ergibt das vielleicht 2,1 Prozent (70 mal 3 Prozent angenommene Dividendenrendite plus 30 mal 0 Prozent Zinsen). Die Kosten der Bewirtschaftung sind ebenfalls noch zu berücksichtigen.
Steuerliche Anerkennung unsicher
Die von dem einen oder anderen Berater oder Anbieter in Berechnungsbeispielen angenommene Rendite von 5 Prozent wird daher in vielen Fällen der Prüfung durch das zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt kaum standhalten können. Aber natürlich kann es sein, dass der Finanzbeamte die Rechnung „durchwinkt“, das ist nicht auszuschließen. Je höher die angesetzte Rendite, desto höher der Barwert des Nießbrauchs und desto geringer die steuerliche Bemessungsgrundlage für die Schenkung. Unabhängig davon bleibt der Nießbrauch am Wertpapierdepot eine interessante Gestaltung, es gilt aber eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Abwicklung. Ein gut formulierter Nießbrauchsvertrag mindert die Abgrenzungsprobleme zwischen Erträgen und Substanz. In früheren Jahren gab es häufig Probleme mit der richtigen steuerlichen Zuordnung der Erträge und entsprechend fehlerhaften Steuerbescheinigungen. Je nach Abwicklungspartner stellt dies heute kein Problem mehr dar, gängige Wertpapiersysteme können sowohl den Vorbehalts- als auch den Zuwendungsnießbrauch korrekt abbilden. Der steuerliche Berater kann mit einer guten administrativen Abbildung die Erträge dem Nießbraucher und die Substanzgewinne/-verluste dem Beschenkten zuordnen.
Gestaltungen in der Beratungspraxis
Wer gegenüber dem Finanzamt – wie zuvor beschrieben – mit 5 Prozent Ertrag argumentieren möchte, sollte in zwei Schritten vorgehen: zunächst nur einen Teil der vorgesehenen Summe schenken und die Reaktion des Erbschaftsteuerfinanzamts abwarten. Sollte das Finanzamt die 5 Prozent anerkennen, dann kann der Rest der Schenkung erfolgen. Wenn nicht – das Finanzamt lässt nur 2,1 Prozent Ertrag gelten –, kann man den Schenkungsumfang entsprechend nach unten anpassen. Alternativ kann mit Rückabwicklungsrechten im Fall abweichender Steuerfestsetzungen gearbeitet werden. In jedem Fall empfiehlt sich mit dem Kunden beide möglichen Varianten zu besprechen und ihn entsprechend auf die mögliche Reaktion des Finanzamts vorzubereiten. Und außerdem gilt: unbedingt den Steuerberater des Kunden oder einen spezialisierten Steuerberater respektive Fachanwalt einbinden. Eine solche Gestaltung sollte keinesfalls ohne steuerliches Spezialwissen umgesetzt werden!
Die Autoren:
Andreas Maage
Er ist freiberuflich tätiger Beratungsspezialist, Dozent und Speaker zu den Themen Vermögensstrukturierung, Begleitung der Unternehmensnachfolge, Gestaltung der Nachfolge von Immobilienvermögen, spezielle Private-Insurance-Lösungen und Gestaltung von Familienvermögen.
Mario Kuppe
Der Steuerberater ist seit Anfang 2019 bei der Hamburger Kanzlei Müller Mahlmann. Zuvor war er jahrelang Steuerberater-Syndikus bei der Deutschen Oppenheim Family Office und im Wealth Management der Deutschen Bank. Seine Schwerpunkte liegen in der Beratung von Unternehmern und vermögenden Familien.
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