Unabhängige Finanzberatung wird immer wichtiger
Obwohl mit dem Honoraranlageberatungsgesetz der Rechtsrahmen für unabhängige Finanzberatung bereits verbessert worden ist, sind Honorarberater in Deutschland immer noch eine Ausnahmeerscheinung. Manche hoffen daher auf eine europäische Regelung im Zuge der MiFID II-Richtlinie.
Finanzberatung im Kundeninteresse - Wunsch und Wirklichkeit
Die Ergebnisse der NFS Netfonds-Studie sind eindeutig:
- 97 Prozent der deutschen Anleger stellen sich eine Beratung vor, deren Empfehlungen auf ihren Bedarf zugeschnitten ist;
- 95 Prozent wünschen sich, dass ihr Finanzberater bei der Produktauswahl unabhängig und losgelöst von Eigeninteressen agiert;
- 84 Prozent würden es gerne sehen, wenn der Finanzberater erhaltene Provisionen offenlegt.
Diese starken Wünsche sind ein nachhaltiges Indiz dafür, dass die Wirklichkeit anders aussieht. Dies bestätigt auch eine aktuelle Untersuchung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Danach werden derzeit 95 Prozent der Anlageempfehlungen von Banken und Finanzvertrieben dem Kundenbedarf nicht gerecht. In die Analyse wurden über 3.500 Anlageprodukte und mehr als 360 konkrete Vertragsangebote einbezogen. Sie spielten eine Rolle bei insgesamt 835 Beratungen der Verbraucherzentralen im Zeitraum November 2014 bis Oktober 2015, die die Untersuchungsbasis bildeten. Kritisiert wird vor allem, dass die Beratung "am Markt" sehr oft nicht zur individuellen Lebenssituation, den Anlagezielen und -wünschen der Verbraucher passe. Auch bei bereits erfolgten Produktabschlüssen wurden erhebliche Defizite festgestellt. So gab es bei fast der Hälfte (45 Prozent) kostengünstigere und effizientere Alternativen.
EU-Gesetzgebung fördert unabhängige Finanzberatung
Die festgestellte Fehlberatung hat nach dem Urteil der Verbraucherschützer System. Die Finanzberatung der Banken und Finanzvertriebe finanziere sich ganz wesentlich über die Provisionen. Daher fokussierten sich die dortigen Berater auf Produktempfehlungen, bei denen besonders hohe Provisionszahlungen zu erwarten seien. Das Kundeninteresse bleibe dagegen häufig auf der Strecke und Produkte, die offensichtlich besser geeignet aber weniger provisionsträchtig seien, fielen unter den Tisch.
Auf europäische Ebene könnte die - unter dem Schlagwort MiFID II diskutierte - zweite Finanzmarktrichtlinie neue Perspektiven für unabhängige Finanzberatung eröffnen. Das Regelwerk, das zum 1. Januar 2017 umgesetzt sein soll, verbietet zwar provisionsorientierte Beratung nicht generell. Es fordert aber, dass Provisionen nachweislich nur zum Kundennutzen vereinnahmt werden dürfen und verlangt eine Offenlegung der Rendite-Effekte. Außerdem ist ein generelles Provisionsverbot für Vermögensverwaltung und unabhängige Finanzberatung vorgesehen. Das Provisionsverbot wird daher in der Richtlinie weiter gezogen als nach dem deutschen Honoraranlageberatungsgesetz. Die Spielräume für provisionsbasierte Beratung werden enger.
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